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Interview mit Ivica Grlic

In den Medien und Fangruppen ist der Begriff des Ausbildungsvereins vielfach Gesprächsthema gewesen. Jeder hat ihn etwas anders interpretiert und die Ausrichtung des Vereins diesbezüglich auch sehr kritisch kommentiert. Was bedeutet es für dich, als Ausbildungsverein zu fungieren und wie schätzt du die Entwicklung in den nächsten Jahren ein?

Es ist vollkommen normal, dass gewisse Dinge hinterfragt werden. Weiterentwicklung der Spieler ist natürlich ein großes Thema für uns – denn Spieler gehören zu unsere Aktivposten. Ein einfaches Beispiel: Ich habe Mark Flekken aus Fürth geholt. Er war jung und talentiert. Wir haben mit ihm intensiv gearbeitet, und er hat sich wirklich bestens weiter entwickelt. Und nachdem wir mit ihm unsere Ziele erreicht haben, konnte ich sogar einen hervorragenden siebenstelligen Transfererlös erzielen. Wir alle arbeiten jeden Tag sehr hart, um unsere Jugend weiter zu entwickeln und sie – im Idealfall – in den Profikader einzubauen. Die Zusammenarbeit mit de NLZ, Uwe Schubert und dem Profibereich war schon immer gut – und wir werden sie weiterforcieren.

Im Zuge dieses Themas kam auch die Abmeldung der U23 erneut zum Thema. Im Profifussball generell geht der Trend ja eher dazu, U23 Mannschaften vom Spielbetrieb abzumelden, da der Sprung in den Profikader eher über die U19 geschafft wird. Siehst du es noch immer als richtig an, die U23 abgemeldet zu haben oder hätte das nicht passieren sollen?

Ja, für die Abmeldung der U23 haben wir sehr viel Kritik einstecken müssen. Aber: es war finanziell notwendig. Wenn du in einer Notsituation bist, musst du sparen – und Prioritäten setzen. Und es ist ja nicht so, dass wir einfach gnadenlos weggestrichen haben, sondern wir haben uns trotz der Einbußen strategisch neu und gut aufgestellt. Wenn ich sehe, wie viele Jungs aus der U19 seither den Sprung nach oben geschafft haben, müssen wir doch auf unsere Entwicklung stolz sein. Eine Durchlässigkeit wie aktuell hatten wir jedenfalls mit der U23 lange Jahre nicht. Ahmet Engin, Lukas Daschner, Vincent Gembalies, Migi Schmeling, Jonas Brendieck und Moritz Stoppelkamp kommen aus unserer Jugend. Wenn sich aber Spieler wie Rybacki, Güll, Cömert oder Pia für einen anderen Weg entscheiden, dann ist das eben so und man muss das akzeptieren. Wir sollten uns alle endlich von dem Gedanken lösen, dass Spieler ihre gesamte Karriere bei uns verbringen. Das ist dann keine Frage von Undankbarkeit, sondern schlicht eine Lern- und Entwicklungsphase. Und das ist Fußball-Romantik aus längst vergangenen Zeiten. Also: Junge Spieler brauchen Zeit, müssen Fehler machen dürfen, um sich weiter zu entwickeln, ohne dass sie befürchten müssen, dass ihnen einer den Kopf abreißt. Wir müssen lernen, mit jungen Spielern geduldiger zu sein. Das ist ein Spagat, en wir zu meistern versuchen.

Mit Ahmet Engin hat sich eine der potenziellen Säulen der Mannschaft für die kommende Saison nun in der Vorbereitung verletzt. Wie ist dort der aktuelle Stand und wann wird er voraussichtlich zur Mannschaft zurückkehren?

Natürlich hoffen wir, dass Ahmet – übrigens ja auch ein Eigengewächs - bald wieder zur Mannschaft stößt. Ihn nach Mierlo mitzunehmen, hätte aber keinen Sinn gemacht. Auch für Arnold Budimbu und Vincent Gembalies war es besser, dass sie mit ihren Verletzungen aus Holland wieder zurück nach Duisburg gefahren sind und dort in der Reha arbeiten.

Neben Kevin Wolze ist nun auch Gerrit Nauber in Osnabrück angekommen, damit gehen der ehemalige Kapitän und einer der erfahrenen Leitwölfe, auf wen darf sich die junge Mannschaft stützen und werden wir uns mit Moritz Stoppelkamp auf einen neuen Spielführer oder Führungsspieler freuen?

Tja, so ist das im Fußball … Kevin war wirklich sehr lange bei uns, jetzt hat er sich für eine neue Herausforderung entschieden. Alles nutzt sich irgendwann auch ein Stück weit ab, da muss man auch gar nichts weiter herein interpretieren. Insgesamt gilt: Wir wollten einen Umbruch und haben deshalb bei vielen Spielern einen Cut gemacht. Mit Marvin Compper haben wir jetzt einen sehr erfahrenen Spieler dazu bekommen, der mit seiner Erfahrung unserer wirklich jungen Mannschaft helfen wird. Ich glaube schon, dass ein Spieler seines Formats und seiner Ausstrahlung viel Motivation für unsere Jungs mitbringt. Von Stoppel erwarte ich, dass er noch mehr Verantwortung übernimm und immer vorneweg marschiert. Und über sein Qualität brauchen wir erst gar nicht sprechen!

Dass der Meidericher Spielverein nicht auf Rosen gebettet ist, zählt ja nicht zu den großen Geheimnissen. Es muss gespart werden und das auch im sportlichen Bereich. Mit den bereits verpflichteten Spieler sieht der eine den sicheren Abstieg, der nächste einen Aufstiegsplatz. Man kann durchaus sagen, dass der MSV in der neuen Saison einer Wundertüre gleicht. Wie schätzt du die Mannschaft ein und was ist das sportliche Ziel?

Wir haben in der jüngeren Vergangenheit mit Verkäufen unsere Schulden minimieren können – das ist gut und wichtig. Auf der anderen Seite haben wir diese Gelder eben nicht in den Kader investieren können – weniger schön! Dennoch denke ich, dass wir mit den Jungs, die wir bis jetzt geholt haben, grundsätzlich eine gute Mischung aus erfahrenen und talentierten Spielern haben. Natürlich ist grundsätzlich unser Ziel, oben mitzuspielen. Das wollen aber zehn andere mit vielen Namen bestückte Teams in dieser Liga auch. Wir arbeiten in Mierlo sehr, sehr hart, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Der Transfermarkt ist hart umkämpft und die Preise haben in den letzten Jahren unglaublich zugenommen. Trotzdem konntest du einige sehr vielversprechende Talente an den MSV binden. Wie überzeugt man junge Spieler, den nächsten Karriereschritt in Duisburg zu wagen?

Natürlich spielt Geld immer eine wichtige Rolle. Für einen jungen Spieler sollte aber die Perspektive mindestens genau so wichtig sein. Was nutzt es, etwas mehr Geld zu verdienen, aber eine Saison lang auf der Bank zu versauern und sich nicht weiter zu entwickeln? Ein Spieler, mit dem ich verhandele, muss verstehen, warum er bei uns die besten Perspektiven hat. Ich muss ihm begreiflich machen, was wir von ihm wollen, was wir in ihm sehen und wo wir mit ihm hinwollen. Wenn ich das glaubhaft vermitteln kann, spielt Geld eine untergeordnete Rolle. Aber es stimmt natürlich: Bei Spielern, die in erster Linie aufs Geld schauen, haben wir keine Chance.

Im Prozess zur Umwandlung als Ausbildungsverein, gilt es sicherlich auch im NLZ Vorgänge zu ändern. Was git es dort für konkrete Maßnahmen?

Uwe Schubert und alle seine Mitarbeiter im NLZ, die ich hier namentlich alle gar nicht erwähnen kann, leisten hervorragende Arbeit. Dass wir seit Jahren sehr eng und sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten lässt sich an den Entwicklungen in unserem Kader ablesen. Aber all‘ das braucht Zeit und ist nicht Ergebnis einer zweiwöchigen Hauruck-Aktion. Wir müssen lernen, noch geduldiger zu sein, auch Rückschläge zu verdauen – da daraus dann auch zu lernen.

Zum Beispiel nehmen wir auch unseren NLZ Leiter Uwe Schubert wie auch A-Jugend Spieler mit ins Sommer und Wintertrainingslager. Sie trainieren auch während einer Saison öfters bei den Profis mit. Das gab es früher in dieser Regelmäßigkeit nicht.

Es stehen ja nun hauptsächlich ganz andere Spielertypen im Fokus. Warum wurde Karlos nicht gehalten und ist Uwe Weidemann hier weiterhin für den MSV tätig?

Natürlich wollen wir uns im Scouting noch breiter aufstellen, aber auch dieser Bereich ist sehr kostenintensiv. Wir können auch hier nur mit Mitteln arbeiten, die finanzielle vertretbar sind. Wir dürfen auch nicht den Fehler machen, gewisse Abläufe mit Namen zu verbinden. Stellenprofile sind dazu da, ausgefüllt und vernünftig bekleidet zu werden.

Deine Transferpolitik kann sich durchaus sehen lassen. Wenn man einen ablösefreien Sukuta-Pasu verpflichtet, der „floppt“ und im Winter verkauft. War der Transfer dann ein sportlicher Fluch oder ein warmer Geldregen?

Wir haben in kürzester Zeit drei Spieler verkauft, für die wir keine Ablöse bezahlt haben und deren Verkaufserlöse auch nicht in den sportlichen Bereich zurückgeflossen sind. Mit Mark Flekken haben wir - wie erwähnt - einen Torhüter für sehr, sehr viel Geld verkauft. Bei Sukuta-Pasu hat es aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert, am Ende war der Verkauf für beide Seiten sinnvoll. Fabian Schnellhardt haben wir nach Darmstadt verkauft. Dieser Transfer tut zwar weh, aber ist auch nicht zu verhindern gewesen und spült so zumindest noch einen schönen Batzen zur Schuldentilgung in die Kasse des MSV.

Wie empfindest Du die andauernden Attacken von Journalisten wie Droll und Retzlaff- siehst Du es eher sportlich, oder ärgern Dich gewisse Aussagen schon konkret?

Ich kann sehr gut mit konstruktiver Kritik umgehen. Wenn allerdings jemand Behauptungen in Unkenntnis der Tatsachen anführt, dann disqualifiziert sich derjenige eigentlich schon selber. Das gleiche gilt auch für alle die ‚Weisheiten‘, die mein Präsident Ingo Wald immer so gerne mit dem Satz ‚am Montag kenne ich die Lottozahlen vom vergangenen Wochenende auch‘ lächelnd kommentiert.

Ich habe Dich als fannahen Menschen kennenlernen dürfen, nicht selten standen wir mal am Kicker oder hatten den ein oder anderen Abend mit offenen Fragen und Antworten- mittlerweile nehme ich Dich eher distanziert und weniger präsent wahr, wie siehst Du Deine Entwicklung in Duisburg aber auch Deine sportliche Entwicklung mit Duisburg?

Wie alle hier habe auch ich in der vergangenen Saison gelitten, und das hat man mir vermutlich deutlich angemerkt. Dabei habe ich mich niemals vom siebten Tabellenplatz der Vorsaison blenden lassen. Das waren auch nur acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, und wir alle wissen doch noch, dass wir fünf, sechs Spieltage vor Schluss deutlich nach unten geschaut haben. Trotzdem bin ich oft getadelt worden, wenn ich darauf verwiesen haben. Ich war sehr, sehr unglücklich, dass die Mannschaft unter diesem Druck, unter dieser Erwartungshaltung nicht in der Lage war, im Rahmen ihrer Fähigkeiten aufzutreten. Aber mangelnde Präsenz? Nein, ich denke nicht. Ich habe meine Interviews gegeben, war gefühlt nach jedem zweiten Spiel bei Sky, war auf Fanabenden, habe mir weiter für jeden Menschen und seine Anliege Zeit genommen, der mich vernünftig anspricht. Aber ich war und werde kein Dampfplauderer, der jeden Wasserstand verkündet. Da nutze ich lieber meine Zeit für sinnvolle Einzelgespräche mit Spielern oder dem Trainerstab. Meine Arbeit und meine Entwicklung müssen andere beurteilen – aber das sollten dann auch die sein, die das Gesamtpaket, die Möglichkeiten und die Hintergründe kennen.

Wie schaffst du es immer wieder aufs neue dich für den Verein stark zu machen und zu motivieren?

Ich bin in einem Betätigungsfeld aktiv, dass mir persönlich unheimlich viel Spaß macht und das ich seit meiner Jugend lebe. Ich bin gut vernetzt und genieße es natürlich auch, wenn ein Plan aufgeht. Ich muss leider - wie alle Menschen, die in der Verantwortung stehen - damit leben, dass man auch mal ein schlechtes Ergebnis erreicht. Wenn ich eine besondere Motivation brauchen würde, wäre allein diese Aussage eine Beleidigung für jeden Menschen, der sich in einer weniger schönen und privilegierten beruflichen Situation befindet.

ABSCHLIESSEND: Wann würdest du einem Sportdirektor in Duisburg das Prädikat „erfolgreich“ geben?

Das ist für mich sehr schwer zu beantworten. Nach welchen Kriterien urteile ich da? Ist der Tabellenplatz entscheidend? Orientiert man sich an der Nachhaltigkeit? Zählen die Prozesse und die Entwicklung des Vereines? Wie geduldig ist der Beurteilende?

Darf man die Entwicklung im Hinblick auf das NLZ und der Profimannschaft als Erfolg bezeichnen? Ist das Bekenntnis zum Status ‚Ausbildungsverein‘ nicht ebenfalls schon ein Erfolg, wenn es gelingt, die Qualität innerhalb des Profikaders aufgrund der „Eigengewächse“ zu verbessern? Passt der Sportdirektor zur Region, zu den Sponsoren und überhaupt in die gesamte ZebraFamilie? Aber … ich glaube, wir haben weiter einen spannenden Weg vor uns. Einen Weg, den wir nur gemeinsam mit unseren Fans und wohlgesonnenen Gönnern und Sponsoren erfolgreich beschreiten können.

Autor: Marcel Eichholz
Datum: 03.07.2019
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