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Als zebras mit Ziegen flogen
Es ist ein kalter, verregneter Vormittag im Winter. Zu dritt sitzen wir im Auto, auf dem Weg in ein kleines, beschauliches Dörfchen irgendwo in Westfalen. Als wir ankommen, blicken wir auf eine unscheinbare Wohnsiedlung. Nichts deutet auf das hin, was uns in wenigen Augenblicken passieren wird. Am Haus sind erste Zeichen auf die bevorstehende Adventszeit sichtbar, nichts deutet jedoch auf seinen prominenten Bewohner hin. Wir klingeln. Dietz steht auf dem Klingelschild. Als sich die Tür öffnet, blicken wir in das strahlende Gesicht von MSV-Legende Bernard Dietz. „Schön, dass ihr da seid. Kommt schnell rein ins Trockene“, begrüßt er uns erfreut. Hinter ihm steht seine Frau Petra, die gute Seele des Hauses, wie wir nur wenig später feststellen dürfen.
Wir gehen in den Keller, in Bernards Trophäen-Raum. Erste Blicke nach links und rechts lassen uns ganz ehrfürchtig werden. Ein Zinn-Becher von der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien fängt unseren Blick ein, daneben befindet sich die Spielführer-Binde an exponierter Stelle in der mannshohen Vitrine. Bevor wir uns setzen, erhaschen wir einen kurzen Blick auf den Trikot-Schrank. Gut und gerne eine dreistellige Zahl Jerseys, von denen jedes einzelne eine Geschichte zu erzählen hat. Der Raum selbst ist eingerichtet wie ein klassischer Partykeller, nur mit zahlreichen Exponaten, die auf eine eindrucksvolle Karriere von Bernard verweisen. Er hat es geschafft: Vom Straßenfußballer zum Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft.
Geschichte zum Anfassen
Als wir gerade auf der gemütlichen Eckbank Platz genommen haben, betritt Petra den Raum. In ihren Händen ein Platte mit belegten Brötchen, welches auch eine ganze Fußballmannschaft gesättigt hätte. Eins merken wir sehr schnell: Gastfreundschaft wird im Hause Dietz groß geschrieben und der Held unserer Kindheit ist ein ganz bodenständiger Mann geblieben, der vom eigenen Erfolg sehr ehrfürchtig spricht. Begonnen hat er seine Fußballer-Karriere beim SV Bockum-Hövel. Zeitungsausschnitte ermöglichen stets, die Erinnerung an die alten Zeiten aufleben zu lassen. Von jeder Saison hat er ein Album im Regal stehen, teils mit eigenen Fotografien ergänzt. In unzähligen Fotoalben befinden sich zahlreiche Bilder, die von erfolgreichen Zeiten beim Meidericher Spielverein erzählen.
„Jetzt greift aber erstmal zu“, ordnet Bernard an und wir folgen bereitwillig. Mit einer Brötchenhälfte in der Hand lauschen wir den Erzählungen von damals. Jeden Tag ist Bernard die Strecke nach Duisburg gependelt, denn von Zuhause wegziehen stand nie zur Debatte. Seine fußballerische Heimat fand Bernard allerdings in Duisburg. 394 Mal lief er im Dress der Zebras auf den Rasen des Wedaustadions. Es wären wohl noch einige Spiele hinzugekommen, hätte der MSV nicht den Weg in die Zweitklassigkeit - begleitet von massiven Einsparungen - antreten müssen. „Ich wäre sehr gerne geblieben, aber mit meiner Ablösesumme konnte ich dem Verein in dieser Situation am besten helfen“, erklärt er. Fortan schnürt er seine Stiefel für den unliebsamen Reviernachbarn aus Gelsenkirchen. Nach Duisburg wird er aber zurückkehren, zunächst als Trainer, später auch im Vorstand.
Lieblingsgegner FC Bayern
Die aktuelle Lage der Zebras ist auch an diesem Tag ein Gesprächsthema. Nach dem denkbar knapp verpassten Aufstieg in der vorherigen Saison befindet sich die Mannschaft derzeit voll im Abstiegskampf. Wie sehr Bernard das schmerzt, lässt sich unschwer an seinem Gesicht ablesen. Wir reden wieder von erfolgreicheren Zeiten: „Zu meiner Zeit waren die Bayern ein gern gesehener Gast in Duisburg. Fast jedes Mal haben wir sie aus dem Stadion geschossen. Aber das haben die Fans auch erwartet. Wir konnten zwei, drei Wochen den letzten Mist spielen, aber wenn der FC Bayern kam, wurde ein Sieg erwartet“, erzählt Bernard weiter.
Das Trainingslager führt die Zebras damals auch schonmal nach Afrika. Die Zebrastreifen in die Welt tragen, heißt die Mission - und welcher Kontinent läge da näher, als die natürliche Heimat der namensgebenden Steppenbewohner. „Das waren ganz eindrucksvolle Erlebnisse. Wir haben ein paar Spiele absolviert und sind viel umher gereist. Teils saßen wir in Flugzeugen, die den Namen kaum verdienten. Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Das gesamte Team sitzt bei 40 Grad im Anzug und mit Krawatte im Flieger und dann steigen noch ein paar Einheimische mit ihren Ziegen dazu, die es sich mit uns im Passagierraum gemütlich machten“, führt er aus. Mit unseren Brötchenhälften in der Hand können wir nur staunend zuhören.
Herz schlägt für den MSV
Erneut betritt Petra den Raum. Zu den reich belegten Backerzeugnissen gesellen sich nun liebevoll angerichtete Weihnachtsplätzchen. Wir brauchen eine kurze Bewegungspause. Der Weg führt uns aber nur einen knappen Meter vom Tisch weg, hin zum Allerheiligsten - dem randvollen Schrank mit original Trikots. Die Schiebetür öffnet sich und es offenbaren sich Leibchen von anderen Spielern der Nationalmannschaft, die mit Bernard das Trikot getauscht hatten. Auf der anderen Seite leuchten die blau-weiß gestreiften Hemden der Zebras. „Ich habe leider nicht mehr so viele Trikots. Einige sind über die Jahre verloren gegangen, aber die wichtigsten sind noch hier“, kommentiert Bernard die Sammlung, die uns die Sprache verschlägt.
Ein Blick auf die Uhr verrät, wir sitzen seit fast sieben Stunden zusammen. Ein weiteres Mal betritt Bernards Frau den Raum. Diesmal reicht sie das Telefon an ihren Mann weiter, eine Zeitung bittet um Ennatz Meinung zum Desaster auf Schalke. Er spricht mit dem Reporter, kommt aber schnell wieder zu uns zurück. „Was interessiert mich Schalke. Ich bin Duisburger und das durch und durch“, sagt er. Wir können uns das Grinsen nicht verkneifen. Das ist der Mann, das Idol, das wir heute ganz privat kennenlernen dürfen.
Es ist wundervoll zu sehen, wie sehr das Herz von Bernard noch immer für den Spielverein schlägt. Wir verabschieden uns, aber mit der festen Absicht, uns ganz bald wiederzusehen. Mit Bernard kann die Zebraherde eine herausragende Persönlichkeit als Ehrenmitglied in ihren Reihen wissen. „Kommt gut nach Hause und wenn ich etwas für euch tun kann, ruft mich jederzeit an“, unterstreicht Bernard noch einmal zum Abschied. Wir machen uns derweil auf den Heimweg mit Eindrücken im Gepäck, für deren Verarbeitung noch einige Tage nötig waren, aber mit der Gewissheit, dass der MSV Bernards Leben ist!